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Sizilien Reise

Stephan Pellegrini zu Besuch bei der Winzerfamilie Vaccaro. Entdecken Sie Sizilien neu!

Die Region Salaparuta

Zunächst muss man wissen, dass die Ortschaften Salaparuta, Poggioreale und Gibellina durch ein Erdbeben im Januar 1968 komplett zerstört wurden. Circa 900 Menschen starben damals in der Region Valle del Belice. In Gibellina wurde in den 1990ziger Jahren durch den bekannten Künstler Alberto Burri ein „Denkmal“ für das zerstörte Dorf erstellt, aus weißem Beton wurde die Form der zerstörten Altstadt nachgegossen, heute kann man durch die nachgestellten Gassen zwischen fast 2 Meter hohen Betonmassen laufen.

Die 3 Dörfer wurden erst Ende der 70ziger Jahre an anderer Stelle wieder aufgebaut, haben jedoch nicht mehr die Größe und Einwohnerzahl der historischen Städte/Dörfer erreicht.

Landwirtschaft

Die Landschaft ist hügelig mit Erhebungen bis circa 550 Meter über NN. Der Fluss Belice prägt ein weitläufiges Tal, denn früher war der Fluss deutlich breiter und bedeutender als heute. In den Sommermonaten bleibt fast nur ein Bach übrig. Der Belice entspringt circa 15 Kilometer südlich von Palermo am Monte Leardo (1.026 Meter über NN) und mündet ganz unten im Süden bei Porto Palo ins Mittelmeer. Früher sorgte der Belice und andere Flüsse für ausreichend Wasser in der Landwirtschaft von Sizilien.

Auffällig in ganz Sizilien ist, dass der Weinbau nur als massiver Monokultur in der Provinz Trapani und dort hauptsächlich östlich von Marsale bis Sciacca wahrzunehmen ist. In vielen Gegenden überwiegt der Olivenbaum, viele junge Anlagen wurden in den letzten 10 Jahren angelegt. In der Piana Catania südlich des Vulkan Ätna wachsen sehr viele Orangen, Mandarinen und Gemüse. Weiter im Südosten der Insel werden Tomaten – sogar unter (sehr vielen!) Gewächshäusern – angebaut. Im Landesinneren wechseln Getreide (Hartweizen), Gemüse (z. B. auch Artischocken, Auberginen) und Obst (Pfirsiche, Aprikosen auch).

Der Vater Giacamo Vaccaro war viele Jahre lang in der örtlichen Genossenschaft tätig und für die Administration und Abrechnungen verantwortlich, zusätzlich in der Stadtverwaltung der Stadt Salaparuta angestellt und deswegen schon immer vertraut mit den Verhältnissen der Landwirtschaft in der Region und natürlich dem Weinanbau.

Die Zäsur: Das Erdbeben!

Das Erdbeben war auch für die Familie Vaccaro eine schlimme Zäsur, das Haus der Eltern und das eigene Haus wurden vollkommen zerstört, aber es gab in der Familie keine Opfer zu beklagen. Aber in den Jahren danach haben die Menschen bei Verwandten oder Freunden gewohnt, teilweise in Baracken oder sogar in Zelten. Einige Menschen haben angeblich fast 8 Jahre in diesen Behelfs-Unterkünften gehaust.

In diesen Jahren hat Giacomo Vaccaro begonnen Weinberge zu kaufen, die Familie hatte vorher schon ein paar Flächen, hat aber die Trauben an die lokale Genossenschaft abgeliefert. Denn viele verängstige Einwohner der 3 Dörfer sind weggezogen, es gab sogar eine richtige Auswander-Welle (z. B. nach Venezuela, USA und nach Deutschland).

Mit dem Neuaufbau der „neuen Stadt Salaparuta“ mit heute knapp 1.500 Einwohnern (früher fast 7.000 Einwohner) hat Giacomo Vaccaro viele Jobs angenommen, um die Familie ernähren zu können und um das Weingut aufbauen zu können. Man nannte ihn in Familie bald den „uomo di mille professioni“ (der Mann der tausend Berufe … J), er hat einen kleinen Laden mit Haushaltsgeräten eröffnet, dann einen kleinen Möbel-Laden, am Ende hatte Giacomo und Caterina Vaccaro 1985 insgesamt 5 kleine Geschäfte, die sie aber alle wenige Jahre später verkauft haben, als die ersten großen Märkte für Möbel auch in Sizilien eröffnet wurden. Den Erlös hat die Familie in Weinberge und später in den Neubau der Kellerei 1999 gesteckt. Die Kellerei steht auf einem Hügel vor den Toren von Salaparuta und wurde so errichtet, dass man ausreichend Platz hatte um diese Kellerei zu erweitern.

Etwa die Hälfte der 70 Hektar Rebflächen sind BIO zertifiziert, wobei auch die andere Hälfte biologisch bewirtschaftet wird. Das Klima in der Region erlaubt ohne größere Probleme eine biologische Bewirtschaftung.

Die Weinberge von Vaccaro

Heute bewirtschaftet die Familie Vaccaro fast 70 Hektar Weinberge, jetzt im März 2018 wurden weitere 30 Hektar auf einen Schlag gekauft (direkt vor der Kellerei gelegen) und hier plant man jetzt neue Weinberge mit den historischen und autochthonen Rebsorten, aber man plant auch einen kleinen Agriturismo, eine kleine Gastronomie und einen Treffpunkt für die Kunden, die das Weingut besuchen wollen.

Angeblich sind fast 20% der Rebflächen in Sizilien heute biologisch in der Bewirtschaftung, damit wäre Sizilien die weltweit führende Weinbau-Region … !

Fast 75% der Weinberge werden über Tröpfchen-Bewässerung mit Wasser versorgt, allerdings geht man bewusst sparsam mit der Bewässerung um, denn die Reben sollen sich an die klimatischen Bedingungen gewöhnen und die Familie Vaccaro will nur in Stress-Momenten im Hochsommer den Reben etwas Wasser geben. Zu frühe Wassergabe führe auch zu starkem vegetativen Wachstum der Reben, das will man vermeiden. Die Erträge liegen bei den Weißweinen bei circa 70 DZ/Hektar, bei den Rotweinen teilweise etwas höher. Die wichtigste weiße Rebsorte ist Grillo, die wichtigste Rebsorte ist Nero d´Avola.

Die Ernte wird in der Hauptsache maschinell gemacht, alle Anlagen sind entsprechend gepflanzt und werden auch entsprechend gepflegt, um den Einsatz der Erntemaschinen zu ermöglichen. Aber etwa 15% werden auch per Hand gelesen.

Die Kellerei

Die Kellerei ist so ausgelegt, dass man mit möglichst wenig Personal die eingehenden Trauben sofort verarbeiten kann. 3 x moderne pneumatische Pressen wurden angeschafft, bei der Pressung wird – laut Carmelo Vaccaro (Sohn und Önologe im Betrieb) – das „meiste Geld verloren“, denn bei Vaccaro werden die Trester mit hoher Restfeuchte belassen und nicht bis zum letzten Tropfen ausgepresst, um den Gehalt an Polyphenolen möglichst gering zu halten.

Fast alle Moste werden gekühlt, man hat sich schon früh mit ausreichenden Kühl-Kapazitäten eingedeckt. Und fast alle Weine werden in Edelstahl ausgebaut, es gibt zwar einen unterirdischen Keller (sehr selten in der Region … !), aber der wird bisher für Feiern im Winter genutzt. Wir haben dort nur etwa 40 Fässer entdeckt, die meisten als „Tonneau“ mit 500 Liter, aber auch ovale 2.000 Liter Fässer aus Eichenholz. Der Ausbau im Holz soll allerdings in Zukunft ausgebaut werden.

Zurzeit werden nur circa 50% der Weine in Flaschen abgefüllt und verkauft, viele Weine werden explizit an langjährige Kunden als Fasswein geliefert, z. B. Pinot Grigio und Chardonnay an MGM Mondo del Vino und an andere Kunden auch im Ausland.

Auf der modernen und nagelneuen Abfüll-Straße (Kapazität maximal 3.000 Flaschen pro Stunde) werden auch Abfüllungen für kleine Nachbar-Weingüter im Lohnverfahren vorgenommen.

Eine kleine Serie von Weinen geht auch an den lokalen bzw. nationalen LEH, diese Weine sind eher modern, werden auch anders verarbeitet (z. B. Tangential-Filtration usw.) und als Spot-Geschäft angesehen.

Wir haben viel verkostet und lange diskutiert, aber grundsätzlich sind die Weine von Vaccaro eher elegant, reduktiv, wobei auch extravagant mit teilweise guter und spürbarer Mineralik.

Bei der Top-Linie wird der Ausbau im Tonneau oder im Barrique nur als „Touch“ und zur Abrundung gemacht, also keine Vergärung im Holz, sondern nur eine 4 bis teilweise 8-monatige Reifung nach der Gärung nach der Klärung der Weine. Also noch sehr vorsichtig der Umgang mit dem Holz.

Die Gesichter hinter Vaccaro

Giacomo Vaccaro (Senior) macht immer noch die „Honneurs“ und wichtige lokale Kunden. Catarina Vaccaro (Seniorin) kümmert sich um Gäste und Kunden vor Ort. Carmelo Vaccaro (Sohn) hat Önologie in Marsala studiert und ist der technische Direktor (im Keller steht ihm ein weiterer Önologe zur Seite – sein Name ist Davide Zarzana). Die Ehefrau von Carmelo ist promovierte Juristin und arbeitet Teilzeit im Büro. Catia Vaccaro (Tochter) hat BWL studiert und kümmert sich um alle kaufmännischen Belange und in Zukunft verstärkt um das Marketing.Der jüngste Sohn der Vaccaros ist noch in der Ausbildung.

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